Ruhr Nachrichten vom 17.02.2006, auf der Homepage seit dem 17.02.2006
Ein Problem setzt Staub an
Grenzwerte für Feinstaub 2006 bis zu 30 Mal überschritten / „Maßnahmen
greifen zu kurz“
DÜSSELDORF • In der Debatte um den Feinstaub ist es
ruhig geworden - die Konzentrationen allerdings steigen und steigen:
Alarmierend hohe Feinstaub-Werte belasten derzeit viele Bürger in Nordrhein-Westfalen.
An 63 von 64 Messstellen im Lande wurde
bereits in den ersten acht Wochen des neuen Jahres der zulässige Grenzwert von 50 Mikrogramm pro
Kubikmeter Luft mehrfach überschritten. „Spitzenreiter“ ist Hagen, wo am Graf-von-Galen-Ring die Werte
schon 30 Mal über dem
Limit lagen. An 26 Tagen herrschte an der Düsseldorfer Corneliusstraße Feinstaubalarm, 22 Mal an der
Brackeler Straße in Dortmund. Die EU-Feinstaubrichtlinie erlaubt aber nur noch 35
Übertretungen
im ganzen Jahr. Danach muss die jeweilige Kommune in Aktion treten, um die
Feinstaubbelastung zu senken. Experten kritisieren nun, dass die Maßnahmen der Städte wie zeitweise Streckensperrungen für LKW, veränderte Ampelschaltungen oder das Straße-Abspritzen zu kurz greifen.
„Lokale Aktionen lösen das Problem nicht, sie verschieben
es nur woanders hin“, sagt Michael Schreckenberg, Verkehrsexperte an der Uni
Duisburg-Essen. Von den gesperrten Strecken weiche der Verkehr zudem oft auf längere und langsamere Routen aus. Die
Folge: Statt weniger noch mehr Schadstoffe. Nach Angaben des
NRW-Umweltministeriums liegt der Anstieg der Messwert-Grenzüberschreitungen hauptsächlich an der in letzter Zeit
vorherrschende Großwetterlage, die keinen Luftaustausch zugelassen habe. Laut
Sprecher Markus Fliege sollen der Haushaltsansatz für Luftverbesserung leicht erhöht und weitere sechs Messstationen
aufgestellt werden. gv/tgk
Hier und Heute: Blickpunkt
Blickpunkt Feinstaub
„Wir fangen gerade erst an“
Problem Feinstaub: Experten setzen auf regionale Lösungen, Partikelfilter und
Leitsysteme
DÜSSELDORF • Eine Gewissheit hat der Sprecher des
NRW-Umweltministeriums, Markus Fliege: „Mit Fahrverboten allein ist das Thema
Feinstaub nicht in den Griff zu kriegen.“
Schuld an den derzeitigen dramatischen
Feinstaubwerten hat für Fliege zunächst einmal das Wetter. „Es gab eben eine extreme Wetterlage.“
Extrem trocken, extrem windarm, der Staub bleibt da, wo er ist. Dass die Bürger und die EU in Brüssel das als Entschuldigung für hohe Umwelt-Belastungen akzeptieren,
glaubt der Sprecher des NRW-Umweltministeriums aber auch nicht.
„Lokale Maßnahmen müssen sein“, meint Egon Falkenberg,
Leiter der Abteilung Luftreinhaltung beim NRW-Umweltamt. „Sonst drohen den Städten schließlich Sanktionen aus Brüssel.“ Aber auch Falkenberg sagt klipp
und klar, dass eine Lösung lokal nicht möglich ist: „Wir fangen aber gerade erst an, in
Sachen Feinstaub regional zu denken.“ Sorgen macht vor allem die Frage: Wohin
mit dem Schwerlastverkehr? „Wir denken über ein Schwerlastleitkonzept nach - ein Ruhr-Pilot, der nicht
nach Stau-, sondern nach Umweltgesichtspunkten den Verkehr lenkt.“ Das ist
allerdings noch Zukunftsmusik. Die erste Geige bei allen Überlegungen, wie man die
Feinstaubbelastung nachhaltig senken kann, spielt derzeit der Rußpartikelfilter für Diesel-PKW. „Es muss dringend steuerliche Anreize für die Nachrüstung mit solchen Filtern geben“,
fordert der um weltpolitische Sprecher der Grünen im NRW-Landtag, Johannes Remmel. „Ein Jahr haben wir schon verschenkt.“
Erste Besserung verspricht unterdessen
die Einführung von
PKW-Umweltplaketten zur Steuerung innerörtlicher Fahrverbote. Die entsprechende
Kennzeichnungsverordnung soll laut Bundesumweltministerium noch im Frühjahr kommen. „Wahrscheinlich“, so
Ministeriumssprecher Andreas Schroeren, „wird es drei oder vier Plaketten je
nach Schadstoffausstoß geben.“ Für den Essener Verkehrsexperten Michael Schreckenberg ist das alles
aber noch zu wenig. Er verlangt, dass an den neuralgischen Punkten der Städte Belastungstafeln aufgestellt
werden. „Damit die
Leute auch sehen, was sie anrichten.“ Denn das Auto stehen zu lassen, helfe
immer noch am meisten. • gv/tgk
Ein fünf Nanometer (Milliardstelmeter)
großer Feinstaub-Rußpartikel, aufgenommen durch ein
Rasterelektronenmikroskop in 12934-facher Vergrößerung. Foto: tu Darmstadt/ddp
Ruhr
Nachrichten, 17. Februar 2006